Blogbeitrag 4
- sandraglaesner
- 23. Sept. 2024
- 2 Min. Lesezeit
Egozentrierte Netzwerke sind eigenartige Gebilde, die sich in vielerlei Hinsicht von Gesamtnetzwerken unterscheiden. Sie ergeben sich aus der Fokussierung der Aufmerksamkeit auf einen einzelnen Akteur und beschreiben dessen interpersonale Umgebung (interpersonal environment, Boissevain 1977), d.h. „das um eine fokale Person, das Ego, herum verankerte soziale Netzwerk“ (Jansen 2003: 74). Es werden also nur jene Beziehungen erfasst und untersucht, die eine bestimmte Referenzperson (Ego) mit anderen Menschen (seine Netzwerkmitglieder, soziologisch „Alteri“ genannt, Jansen 2003) unterhält, incl. deren Verbindungen untereinander. Häufig wird dafür auch der Begriff „personales“ oder „persönliches Netzwerk“ gebraucht2 (Milardo 1992).
In seinem Integrationsmodell nennt Barnes (1969) die Verbindungen zwischen Ego und Alteri „first order star“ (oft auch als „Ego-Star“ bezeichnet, Boissevain 1977), die zwischen den Alteri eines Egos „first order zone“ (Boissevain: „ego-zone“). Die in Barnes Modell enthaltenen weitergehenden indirekten und mehrstufigen Beziehungen, die von den Alteri zu deren Alteri gehen und immer stärker in den sozialen und gesellschaftlichen Raum „ausstrahlen“ und auch Gruppen und Institutionen beinhalten (Beziehungen 2., 3. bis n-ter Ordnung), werden in egozentrierten Netzwerkanalysen üblicherweise aus ökonomischen und forschungstechnischen Gründen nicht erfasst. Häufig werden nicht einmal die Verbindungen zwischen den Alteri eines Egos berücksichtigt. Die daraus resultierende Struktur des Ego-Stars ist nach Barnes im eigentlichen Sinn des Begriffs kein Soziales Netzwerk, wenngleich es sich durchgesetzt hat, auch dieses Gebilde mit dem Netzwerkbegriff zu versehen (Hollstein 2006). Egozentrierte/Personale Netzwerke zeichnen sich im Vergleich zu Gesamtnetzwerken durch einige Besonderheiten aus, die zu beachten sind:
Personale Netzwerke werden durch ein einzelnes Individuum generiert und repräsentieren damit das Beziehungssystem dieser singulären Person (Asendorpf/Banse 2000). In diesem Sinn sind egozentrierte Netzwerke Bestandteile von Ego und sind so durch sein/ihr Verhalten und seine/ihre Eigenschaften in ihrer Ausprägung und Charakteristik beeinflusst, wie sie aber auch das Erleben und Verhalten von Ego beeinflussen können. Sie sind deshalb für psychologische Forschungsfragestellungen interessant.
Im Gegensatz zu Gesamtnetzwerken, deren Knoten und Kanten sich primär aus Setzungen von Forschern konstituieren, bestehen egozentrierte Netzwerke aus „natürlichen Beziehungen“ (Barnes 1969). Es handelt sich hier also weniger um eine virtuelle als um eine reale soziale Entität (Hollstein 2006).
Persönliche Beziehungen von Menschen sind vielgestaltig und kommen durch unterschiedliche Verbindungsformen zustande (Bekanntschaft, soziale Rollen, emotionale Beziehung etc.). Entsprechend beinhalten personale Netzwerke unterschiedliche Verbindungsformen und sind mehrfach bestimmt.
Diese unterschiedlichen Verbindungsformen gehen in die Definition und Analyse personaler Netzwerke als so genannte Netzwerk- oder Namensgeneratoren ein und ergeben so unterschiedliche Teilnetzwerke oder Netzwerksegmente (= partielle Netzwerke) (Milardo 1992).
Persönliche Beziehungen konstituieren sich in der Regel nicht aus einer Verbindungsoder Beziehungsform allein, sie sind im Allgemeinen vielgestaltig („multiplex“, Barnes, 1969), d.h. die Mitglieder eines personalen Netzwerkes sind über mehrere Beziehungsformen miteinander verbunden. So kann eine Person im Extremfall Verwandter, Nachbar, Freund, Arbeitskollege und wichtiger Unterstützer gleichzeitig sein. Da multiplexe Beziehungen in der Regel eine hohe Kontakt- und emotionale Intensität besitzen, wird die Multiplexität einer Beziehung und damit auch die Anzahl multiplexer Beziehungen in einem Netzwerk (= Multiplexität des Netzwerks) häufig als Indikator für die emotionale und interaktive Intensität von Beziehungen und von personalen Netzwerken angesehen (Jansen 2003).
Personale Netzwerke bestehen nicht nur aus Beziehungen unterschiedlicher Art und Intensität, sie sind hinsichtlich der gegenseitigen Verbindung der Mitglieder heterogen und bilden so verschiedene Subgruppen, die sich vor allem durch eine höhere Kontaktfrequenz in ihrem Inneren und eine höhere Dichte der Interaktionen in sich gegenüber anderen
